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dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch (ger/deu/de)

verfasserin/verfasser: Bernadette Fülscher

titel: Stadtraum und Kunst. Stadtentwicklung, öffentliche Räume und Kunst im öffentlichen Raum der Stadt Zürich seit dem 19. Jahrhundert

+: in: Hiltbrunner / Schenker, Kunst und Öffentlichkeit, Zürich 2007, S. 141–199

«Für die Kunst im öffentlichen Raum bedeutete [der künstlerische Anspruch auf Autonomie in der Zwischenkriegszeit], dass sie als avantgardistische Kunst – was in Zürich selten der Fall war – für das breite Publikum unverständlich war oder als unverschämt galt und als volksnahe Kunst von den Aktueren aus dem Bereich der bildenden Kunst nicht ernst genommen wurde: Diese Kluft hatte über das gesamt 20. Jahrhundert Bestand.» (S. 161)

«Nich das autonome Kunstwerk, sondern die harmonische Integration in den Bau oder die Landschaft bestimmte den Umgang mit Kunst im öffentlichen Raum während der frühen Nachkriegszeit – also gleichzeitig, wie der Schweizerische Werkbund unter Federführung von Max Bill «die Gute Form» propagierte. Dahinter verbarg sich der Wunsch, das Verhältnis zwischen Kunst und Gesellschaft, zwischen Architektur und bildender Kunst sowie zwischen weiteren Künsten zu verbessern und zu stärken. Ausserdem wurde versucht, die zunehmend als kühl empfundene Architektur der Nachkriegszeit mit künstlerischen Arbeiten zu verfeinern und Ausdruckswerte zu schaffen, welche die Architektur selbst nicht mehr besass.» (S. 169)

«Aus einem allgemeinen Überdruss an traditionellen Kunstwerken im öfentlichen Raum verstärkte sich um 1960 der Appell für eine zeitgemässe Kunst am Bau und im öffentlichen Raum. Insbesondere die Architekten forderten eine wirkliche Synthese von moderner Architektur und Kunst und verlangten von letzterer eine aktive Mitgestaltung des Raumes. Der Einfluss auf den Raum sollte allerdings nicht durch die 'Integration' der bildenden Kunst, sondern durch ihre Stärkung und der 'radikalen Polarität' von Architektur und Kunst erfolgen. Kunst sollte 'durch ihre individuellen Aussageformen funktionale Architektur bereichern, aber nicht mehr als Teil der Architektur, sondern in deren unmittelbarem Bezugsfeld, dem öffentlichen Raum. Kunst am Bau sollte so gleichsam als Kontrast und Kritik einer sich funktionalistisch gebenden Architektur fungieren, gegen deren formale Verarmung und inhaltliche Aussagenlosigkeit stehen'. Man erkannte aber auch, dass Architektur durch Applikation künstlerischer Werke nicht aufwertbar war. Die Architekturgebundenheit wurde damit fraglich und die Interaktion mit dem öffentlichen Raum wurde zur Leitvorstellung einer veränderten Kunst-am-Bau-Praxis. Der Umstand, dass die meisten Arbeiten der Gegenwartskunst die Bildung einer Öffentlichkeit nicht weiter thematisierten, wurde allerdings weder auf der Seite der Kunst noch auf der Seite der Öffentlichkeit diskutiert.» (S. 172–173)