dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch (ger/deu/de)
name: Sitte
vorname: Willi
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biografische angaben: * 28. Februar 1921 in Kratzau, Tschechoslowakei, heute Tschechien; † 8. Juni 2013 in Halle (Saale). Deutscher Maler und Grafiker. Er war lange Zeit Präsident des Verbandes Bildender Künstler (VBK) der DDR.
Willi Sitte wuchs als drittjüngstes Kind eines deutschstämmigen Bauern, Gründungsmitglied der Tschechoslowakischen Kommunistischen Partei (KPTsch), und einer tschechischen Mutter mit vier Brüdern und zwei Schwestern auf. Sein Bruder Rudolf Sitte war ebenfalls ein in der DDR tätiger Künstler im Bereich der baubezogenen Kunst.
Sittes Zeichentalent wurde früh durch einen Zeichenlehrer gefördert. Nach der Schule studierte er ab 1936 an der Kunstschule des nordböhmischen Gewerbemuseums in Reichenberg Textilmusterzeichner und wurde 1940 an die Hermann-Göring-Meisterschule für Malerei in Kronenburg in der Eifel empfohlen. Seine Kritik an den dortigen Aufgaben führte 1941 zur Einberufung in die Wehrmacht an die Ostfront. Dort erkrankte er an Gelbsucht und wurde nach einem Heimaturlaub nach Italien versetzt, wo er 1944 desertierte und sich italienischen Partisanen anschloss.
Nach künstlerischen Arbeiten in Mailand, Vicenza und Venedig kehrte Sitte 1946 nach Kratzau zurück, musste seine Heimat aber wegen der Vertreibung der Deutschen aus der Tschechoslowakei verlassen und lebte danach in Halle (Saale), wo er 1947 in die SED eintrat. 1951 erhielt Sitte einen Lehrauftrag an der Kunstschule Burg Giebichenstein, 1959 wurde er dort zum Professor berufen. Er war damals ein Vertreter der aufmüpfigen, eigenwilligen Kunstszene in Halle, die Unabhängigkeit von Kulturfunktionären einklagte. Er hatte dadurch Ärger mit seiner Partei, der zeitweise zum Lehrverbot führte. Zu seinen Freunden gehörten damals Christa Wolf, Wolf Biermann, Eva-Maria Hagen, Sarah Kirsch, Rainer Kirsch und andere. Ab 1964 stieg Willi Sitte aktiv in die Politik ein, was zum Verlust einiger freundschaftlicher Kontakte führte.
Als Vertreter des sozialistischen Realismus wuchs seit dem Ende der 1960er Jahre seine offizielle Anerkennung. 1969 wurde er zum Ordentlichen Mitglied der Deutschen Akademie der Künste gewählt, was er bis 1991 war. Er war von 1974 bis 1988 Präsident des Verbandes Bildender Künstler der DDR (VBK-DDR) und seit 1976 Abgeordneter der Volkskammer.
Von 1986 bis 1989 war er Mitglied des Zentralkomitees der SED (ZK der SED). Seit 1985 war Willi Sitte Mitglied des Weltfriedensrates und seit 2001 Korrespondierendes Mitglied der European Academy of Sciences, Arts and Humanities in Paris.
Seine Produktivität als Maler und Hochschullehrer wurde dadurch nicht verringert. Sein Werk ist von figürlichen Darstellungen bestimmt, oft in geradezu barock anmutenden Formen. Die expressiven Körperdarstellungen als Ausdrucksträger gesellschaftlicher Aussagen und politischer Ideen provozierten oft das Kunstpublikum. Als Hochschullehrer engagierte er sich in der Ausbildung des künstlerischen Nachwuchses, darunter von 1975 bis 1987 als Direktor der Sektion Bildende und Angewandte Kunst der Hochschule für Industrielle Formgestaltung in Halle.
Willi Sitte lebte und arbeitete in Halle. Neben Werner Tübke, Bernhard Heisig und Wolfgang Mattheuer gilt er als bedeutendster Maler der DDR. Wegen seines Bekenntnisses zum Kommunismus und seiner Parteikarriere in der SED lösten seine Werke und Ausstellungen nach der Wiedervereinigung bisweilen öffentliche Diskussionen aus. So wurde im Sommer 2001 eine geplante Jubiläumsausstellung des Künstlers zu seinem 80. Geburtstag im Germanischen Nationalmuseum in Nürnberg vom Verwaltungsrat kurzfristig verschoben, weil man Sittes Rolle als DDR-Kulturfunktionär erst noch genauer untersuchen wollte. Sitte sagte daraufhin die bereits vorbereitete Ausstellung ab. Bis heute fließen in Kritiken zu Sittes Werken oft nicht nur künstlerische Aspekte, sondern auch politische Beurteilungen ein. Andererseits sind seine Werke bis heute bei Kunstsammlern und Galerien im Westen Deutschlands und in Westeuropa außerordentlich begehrt.
Anlässlich seines 85. Geburtstages wurde in Merseburg am 28. Februar 2006 die Willi-Sitte-Galerie eröffnet. Dies geschah im Beisein des früheren Bundeskanzlers Gerhard Schröder und Sachsen-Anhalts Ministerpräsidenten Böhmer. Es handelt sich um eine Stiftung, die in der historischen Domkurie untergebracht ist. In diesem Museum ist ein Großteil des Gesamtwerkes Sittes untergebracht. (Wikipedia)
«Willi Sitte hatte die Kenntnis der Vorkriegsmoderne von seinem Nachkriegsaufenthalt in Italien 1945/46 mit nach Halle gebracht, wo er sich 1948 der dort gegründeten Künstlervereinigung 'Die Fähre' anschloss. Der seit seinem Aufenthalt bei italienischen Partisanen überzeugte Antifaschist und Kommunist suchte zwischen 1952 und 1957 seinen eigenen Weg in der Verbindung spezifischer Stilanleihen bei Matisse und Léger mit einer picassoesken Bildmotivik, die sich ebenso an Guernica und Picassos Frauengestalten der dreissiger Jahre wie auch am 'Massaker in Korea' und an den Wandbildern über Krieg und Frieden für die als Friedenstempel umgestaltete säkularisierte Kapelle von Vallauris orientierte. Ein Vergleich von Sittes Frühwerk aus den fünfziger Jahren mit der Werkentwicklung Renato Guttusos seit 1932 macht offenkundig, wie sehr der ostdeutsche Maler die eklektischen Stilexperimente des Italieners bis hin zu kubistischen Formversuchen und Motivadaptionen nachvollzog. Sittes zahlreiche Studien zu seinem Historienbild 'Die Völkerschlacht bei Leipzig' (1955/56) und zu 'Lidice' (1956/57), einem Sujet, mit dem der Maler das furchbare Massaker der SS an den Bewohnern des tschechischen Ortes Lidice in die Erinnerung zurückrief, bekunden seinen künstlerischen Anspruch, politisches Engagement in moderner Bildsprache zu formulieren, ein Konzept, das Sitte nach 1961 im Anschluss an eine massive Rüge der Partei zugunsten einer offiziellen Funktionärskarriere aufgeben sollte.» (Thomas 2002, S. 94)