dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch (ger/deu/de)
künstler: Hans Hofmann, Armin Meili
titel: Schweizerische Landesausstellung 1939 («Landi 39»)
jahr: 1939
adresse: Seeufer Zürichhorn, Riesbach / Seefeld, Enge, Zürich, Schweiz
+: Die Schweizerische Landesausstellung 1939 in Zürich war einerseits ein Erfolg des sozialdemokratisch regierten «roten Zürich», das dieses Symbol des nationalen Schulterschlusses am Vorabend des Zweiten Weltkriegs in die Stadt zu holen verstand. Anderseits band es Linke und Technokraten auf lange Dauer in einen nationalen, konservativen Konsens ein. Die Landimoderne erhielt ein heimattümelndes Gesicht mit technokratischem Einschlag, das die Schweiz auf Jahrzehnte prägen sollte.
Neben den beteiligten Architekten waren die eingeladenen Künstler stark verantwortlich für die Ästhetik der Landesausstellung. Es handelte sich im Wesentlichen um die «Offiziellen», eine Gruppe von in den 1920er- und 1930er-Jahren vielfach mit öffentlichen Aufträgen bedachten Künstler, die die «Geistige Landesverteidigung» in gängige Bilder der Schweizer Geschichts- und Gesellschaftsmythologie umsetzen. Noch einmal wurde der Bauernstand in diesem bereits stark industrialisierten Land gefeiert («Die Milch im Werden und Sein»), noch einmal die traditionellen Tugenden der Frau ins Bild gesetzt (Tappolet / Strasser, «Nous voulons servir notre pays»). Die künstlerisch jenseits solcher Schemen stehenden Regionalisten wie Pietro Chiesa dienten ebenfalls der nationalen Kohäsion (in diesem Fall der Abgrenzung des Tessin gegenüber dem faschistischen Italien, noch besser sichtbar in Chiesas Werk «L'emigrante» von 1934 in Chiasso).
Bei den Architekturen standen sich das modernistische Modell (wie der Aluminiumpavillon von Josef Schütz) den Nachbildungen traditioneller Architektur (im Landidörfli) klar gegenüber. Der «Landistil», eine traditionalistisch überformte moderne Bauweise, die im Bauboom der Nachkriegsjahre breite Anwendung fand, war an der Landesausstellung etwa in Gestalt des Grotto ticinese von Wilhelm Pleyer vertreten. Es handelt sich um keine Schöpfung der «Landi»: bereits das Bundesbriefarchiv in Schwyz von 1936 und viele weitere Bauten der 1930er-Jahre hatten bereits diese Bauform (die auch andernorts, beispielsweise im Zuge der «Novecento»-Bewegung in Italien praktiziert wurde).
Die bildenden Künstler bewegten sich in einer engeren Formensprache. Der Mainstream der (geförderten) Schweizer Kunst hatte sich seit den 1910er-Jahren herausgebildet und gefestigt und bestand aus einer sachlich und grafisch eher strengen, zum ornamentalen tendierenden Figuration, zuweilen mit einem expressionistischen Anhauch. In den Werken an der Landi sind zuweilen interessante Überkreuzungen zu finden. So schuf Fred Stauffer in modernistischer Verknappung ein Propagandabild der Geistigen Landesverteidigung mit antirevolutionärer Spitze («Die starke Schweiz – Die schwache Schweiz»), während der Kirchenmaler August Wanner mit seiner Darstellung des Strassenbaus (in Form eines «Kirchen»-Fensters) eine der in der Schweiz seltenen monumentalen Arbeiterdarstellungen schuf. Einen sakralen Anklang findet man im Pharmazeutik-Glasfenster von Charles Hindenlang, während die monumentale Darstellung der Textilkunst von Maurice Barraud wiederum an die moderne Leichtigkeit der vorangehenden zwei Jahrzehnte anknüpft. «Eisenverarbeitung» von Otto Morach ist eine Apotheose der Industrie und Technik ähnlich Rockwell Kents «Man's Liberation Through Electricity» an der zeitgleichen New Yorker Weltausstellung oder Diego Riveras Verherrlichungen des industriellen Forschritts in Chapingo und Detroit (abzüglich der sozialemanzipatorischen Inhalte jener Werke).
Die äusserst reich mit Monumentalgemälden versehene Schweizerische Landesausstellung 1939 brachte das Werk des kurz zuvor (1937) verstorbenen Schweizer Kunstpolitikers Sigismund Righini zur Kulmination. Die meisten der vertretenen Künstler konnten ihren Erfolg jedoch nicht wesentlich über 1945 hinaus retten. Nach 1960 erhielt das Epithet des «Landigeists» sogar einen ausgesprochen pejorativen Nachhall. Einzig in der Kirchenkunst konnten sich gemässigt modernistische Künstler wie Ferdinand Gehr in der Nachkriegszeit etablieren und grosse Auftragsvolumina ausführen.