dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch (ger/deu/de)
künstler (in grau: assistent/in): Gottfried Semper, Émile Bin, Alfred Diéterle, Edmond Lahens
titel: Kultur des Menschengeschlechts und deren Geschichte: Geburt und göttliche Rollen Athenes. Wissenschaften, Künste, Religion
jahr: 1868
adresse: Eidgenössische Technische Hochschule ETH, Aula (HG G 60), Rämistrasse 101, Zürich, Schweiz
+: Decken- und Wandgemälde. Nur teilweise vollendet
«Als der Antikensaal [des Polytechnikums] 1865 eröffnet wurde, hatte Semper die Auladekoration, die sich um 'die Cultur des Menschengeschlechts und deren Geschichte' drehen sollte, erst in einigen Zeichnungen und in einer ausführlichen Beschreibung entworten. Er beabsichtigte, in der Deckenmitte die Geburt und die göttlichen Rollen Athenes und in den fünf Bogenfeldern der Wände die Wissenschaften, die Künste und – 'als dritte Aeußerung des geistigen Strebens nach Vollkommenheit' – die Religion darzustellen.
Ahnend, dass die Dekoration mehr koste, als [Staatsbauinspektor] Wolff 1858 geschätzt hatte, trennte er in seinem Entwurf ornamentale, 'rahmende' und figürliche, 'füllende' Malerei klar, damit sich letztere ungünstigenfalls mit Verspätung ausführen lasse. Seine Ahnung erwies sich als berechtigt, reichte doch nicht einmal ein verdreifachter Kredit zur Bemalung der Aula aus. Dank einer privaten Spende konnten Emile Bin, Alfred Diéterle und Edmond Lahens 1868 wenigstens die Decke vollenden. Die Wandfelder dagegen blieben leer. Ihre Bemalung fiel ebenso dem schweizerischen 'Geiste nüchterner Sparsamkeit' zum Opfer die die skulpturale Belebung des westlichen Mittelrisalits und die malerische Ausschmückung der Eingangshalle und des Antikensaals. […]» (Nerdinger / Oechslin, Gottfried Semper 1803–1879, 2003, S. 348–350)
«[…] Allerdings hat Semper selbst das assoziative Potential solcher [italienisches Kolleg – englisches College – Polytechnikum] Verknüpfungen mit früher Universitätsarchitektur auch wieder relativiert und überlagert, und zwar durch die rigide Klassizität von Formensprache und Ikonographie, die durchgehend das Stilregister des Baus bestimmt. Polychrome Säulenarchitektur wie in der Aula, dem Kulminationspunkt in Sempers räumlicher Hierarchie, findet man eben nicht in alten Universitätsbauten, stattdessen in Palästen oder Theatern der Hoch- und Spätrenaissance; und eben diese oder doch vergleichbare Quellen waren auch dazu bestimmt, das thematische Repertoire für die geplante malerische Ausstattung – Semper wollte sie dem 'menschlichen Streben nach Vollkommenheit' widmen, konnte sie aber nur zu geringen Teilen Vollenden – zu speisen.» (Andreas Tönnesmann, in: Hildebrand / Oechslin, Hochschulstadt Zürich, 2005, S. 72–73)
«[…] Der Allgemeinheit verborgen, öffneten die farbigen Malereien der den beiden Hochschulen als Festsaal dienenden Aula Studenten und Professoren die Sicht weit über die fachlichen und zeitliche Grenzen hinaus. Sie stellen, thematisch um die griechisch-römische Mythologie kreisend, die Geschichte der einzelnen Kulturzweige dar. Mangels Geldes belieben aber der Deckenfries und die Wandfelder der Aula ebenso unbemalt wie die Gewölbe der Haupteingangshalle, die den Auftakt zu einer im Vestibül des ersten Obergeschosses ausklingenden Raumfolge bildete. […]» (Dieter Weidmann, in: Hildebrand / Oechslin, Hochschulstadt Zürich, 2005, S. 139–140