Rufino Tamayo, ein anderer Mexikaner, in: Antonio Rodríguez, Der Mensch in Flammen, 1967, S. 206 (dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch)
eingetragen von Alex Winiger am 19.02.2017, 23:40 (email senden)
geändert von Alex Winiger am 17.10.2017, 23:28 (email senden)
«Das Wandbild, das Tamayo im gleichen Gebäude für die Gaststätte des bereits genannten Geschäftsunternehmens malte, ist ein grosses Stilleben mit Wassermelonen, Flaschen und Früchten in roten, grünen und grauen Farbtönen. Als dekoratives Werk, das sicherlich auch nicht darauf abzielt, mehr sein zu wollen, kennzeichnet es die Haltung des Künstlers, der es schuf.
Es liefert eine kleine Wandmalereilehre, weil es sich durch Thema, Harmonie und Rhythmus dem architektonischen Ganzen, den Lichtverhältnissen des Ortes und der Bestimmung des Unternehmens anzupassen verstand. Anderseits vertieft dieses Wandbild die Spaltung, die Carlos Mérida weniges jahre früher in der politischen Wandmalereibewegung Mexikos verursacht hatte; er vollendete einige Wandbilder, die lediglich dekorative Zwecke verfolgten. Mit diesem Wandbild wird das Dogma durchbrochen, dass die Wandmalerei durch ihren öffentlichen Charakter immer verpflichtet sei, an das Volk eine ideologische Botschaft zu richten. Da Tamayo zeigte, dass man ein Wandbild mit dem Thema eines Stillebens von Wassermelonen, Pfirsichen und Flaschen schaffen kann, eröffnete er der Wandmalerei neue Wege und Möglichkeiten, aber damit gibt er der Wandmalereibewegung, deren Begründer Rivera, Siqueiros und Orozco weder dekorative noch die Architektur einfach und bildhaft ergänzende Wandmalerei wollten, den ersten tödlichen Stoss. Nicht zufällig sagte Tamayo, dass ihn das Staffeleibild mehr für sich einnimmt als das Wandbild.»