dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch (ger/deu/de)
name: Hartung
vorname: Wilhelm
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biografische angaben: * 2.8.1879 Raperswilen, † 4.1.1957 Zürich. Maler und Freskant. Fassadenbilder. Bruder von Eugen Hartung, Vater von Willi Hartung
«Hartung (1879–1957) hat die grösste Zahl genossenschaftlicher Fassadenbilder gemalt. Er schmückte die drei ABZ Kolonien Sihlfeld, Seebahnstrasse und Neugasse mit insgesamt fast 150 Bildern, die Kolonie III der Gemeinnützigen Bau- und Mietergenossenschaft mit deren acht. Auf welche Weise Hartung die Aufträge zugesprochen erhielt, ist nicht bekannt. Er gehörte im Zürich der Zwischenkriegszeit zwar nicht zur Crème de la crème der damaligen Künstlerszene, hatte aber einen gewissen Bekanntheitsgrad. Heute allerdings kennt seine Werke kaum jemand. Auch die anderen Künstler, die die Fassaden der Genossenschaften bemalt oder mit Plastiken ausgeschmückt haben, sind in Vergessenheit geraten. Zu ihren Lebzeiten hingegen waren sie durchaus bekannt, bekamen Aufträge und konnten davon leben. Wilhelm Hartung und Jakob Gubler hatten beispielsweise 1935 mit einigen Entwürfen an der Ausstellung im Zürcher Kunsthaus über die 'neue schweizerische Wandmalerei' teilgenommen. Im Kunstgeschehen der Stadt Zürich galten sie aber als zweitrangige Künstler neben den Lokalmatadoren, die die Szene dominierten und auch die prestigeträchtigen Fassadenmalereien und -plastiken an wichtigen Bauten der Stadt ausführen konnten: Karl Walser an den Amtshäusern der Stadt, Paul Bodmer im Kreuzgang des Fraumünsters, Karl Geiser an den Verwaltungsgebäuden des Kantons, Augusto Giacometti im Amtshaus I der Stadt. Diese vier erhielten auch eine Art offiziellen Status als Schweizer Künstler, als sie an der Landi '39 Fassadenbilder beziehungsweise Skulpturen ausführen konnten, während keiner der 'Genossenschaftskünstler' an der Landi teilnahm. Über Bodmer, Geiser und Giacometti existieren Monografien, ihre Werke sind rezensiert, werden an Stadtführungen gezeicht und als 'höhere Kunst' betrachtet. Die Bilder an den Genossenschaftsfassaden hingegen werden belächelt, falls sie überhaupt beachtet werden. Martin Alois Müller beispielsweise, Direktor der Fachhochschule für Gestaltung in Basel, hat die heutige Haltung der Kunstverständigen gegenüber den genossenschaftlichen Fassadenbildern auf den Punkt gebracht: Er bezeichnet sie als 'Halbkunst'. Oskar Bätschmann, Professor für Kunstgeschichte an der Universität Bern […], würde die Figuren an den Fassaden – so wie er das für die öffentliche Malerei der dreissiger Jahre tut – wohl als 'glückliches Wohnbefinden und dumm-naive Physiognomien' charakterisieren [Oskar Bätschmann, Malerei der Neuzeit. Ars Helvetica VI. Disentis 1989, S. 237]. In ihrer Entstehungszeit allerdings galten die Fassadenbilder von Hartung als künstlerisch wertvoll. Seine Bilder an den Fassaden des Pavillons der Werkbundausstellung von 1918 sind in der Wegleitung des Kunsntgewerbemuseums lobend erwähnt. Peter Meyer […] lobte die Arbeiten Hartungs in folgenden Worten: 'Ganz vorzüglich, wie echt frescomässig die Malerei auf dem Mauergrund liegt; nicht geschlossen und aufgeklebt, sondern locker, sodass der rote Grund überall wieder zum Vorschein kommt: ein Hauptpunkt bei aller Wandmalerei.'» (Capol 2000, S. 129–130)