www.mural.ch: literatur

dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch (ger/deu/de)

verfasserin/verfasser: Raina Zimmering

titel: Der Revolutionsmythos in Mexiko

isbn: 9783826030093

+: Würzburg, 2005

«Neben dem Film und dem Revolutionsroman ist auch der Muralismus für die Vermittlung revolutionären Gedankenguts von zentraler Bedeutung. Die Freskomalerei ist zwar keine originär mexikanische Erfindung, jedoch gelangte dieses Genre dort zu einer neuen Blüte. Im Jahre 1921 waren 84 Prozent der mexikanischen Bevölkerung Analphabethen, und auch das ambitionierte Bildungsprogramm des Philosophen und ehemaligen Rektors der Universität Mexikos, José Vasconcelos, der unter Alvaro Obregón (1921–1925) Bildungsminister wurde, konnte keine nachhaltige und tiefgreifende Wirkung erzielen. Für ein Land mit vorwiegend illiterater Bevölkerung waren schriftgebundene Medien zur Vermittlung ideologischen Gedankenguts eher unbrauchbar, und so gewann das Wandbild als 'demokratische Kunstform' mit einer überaus grossen Rezipientenzahl an Bedeutung. Die Massenwirksamkeit solch grossformatiger Bilder im öffentlichen Raum wurde in der Neuzeit erst wieder von der modernen Werbeindustrie wieder entdeckt. Im nachrevolutionären Mexiko wurden innerhalb kurzer Zeit im Auftrag der Regierung deren Gebäude, Schulen, Krankenhäuser, Hotels, Theater und Universitäten, also das gesamte architektonische[s] Gesicht des Staates, mit Wandbildern bedeckt. […] Unter Vasconcelos avancierte der Muralismo zur vom Staat geförderten Kunstform der mexikanischen Selbstfindung.» (S. 72–73)