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Ein sommerlicher Besuch in…

München: Gemäldezyklen des 19. und 20. Jahrhunderts für die Hofgartenarkaden von Leo von Klenze (ab 1816, wiederaufgebaut und teilweise neu erbaut 1952–54)

Abb. Nördliche Hofgartenarkaden München, um 1940 «Mit den Wandgemäldezyklen in den zur öffentlichen Promenade gewordenen Hofgartenarkaden realisierte Ludwig I. ein komplexes volkserzieherisches Programm, das zugleich Schwerpunkte seines politischen Wirkens wie seiner persönlichen Neigungen widerspiegelte. Der allein an Ort und Stelle erhaltene Historienbilderzyklus in den Neuen Arkaden war bestimmt, vaterländisch-dynastische Anhänglichkeit zu wecken. Rottmanns italienische Landschaften in den Bazar-Arkaden (1943 abgenommen, heute im Residenzmuseum) sollten den vom König geliebten Süden in einer Zeit noch beschränkter Reisemöglichkeiten veranschaulichen. Die Szenen aus dem griechischen Befreiungskampf in den Nordarkaden, ein vor der Zerstörung zu wenig gewürdigtes Beispiel aktueller, politisch-ideologisch motivierter Kunst, offenbarten eine erstaunlich deutliche Stellungsnahme angesichts Ludwigs aussen- wie innenpolitisch schwieriger Balance zwischen liberalem und autoritärem Kurs (ein derartiger Zyklus wäre damals in Berlin oder Wien undenkbar gewesen) und gehörten gleich den Münchner Propyläen zu den das wiedererstandene Hellas repräsentierenden Nationaldenkmälern (wie sie Griechenland selbst sich zu dieser Zeit noch kaum leisten konnte); zugleich sollte die Akzeptanz des (in Bayern nicht unumstrittenden) philhellenischen Engagements gestärkt werden.» (Habel, Hallinger, Wieske 2009, S. 327)

Bayerische Geschichte (1826–1829), ausgeführt von Studenten von Peter von Cornelius

18 Fresken (inkl. Supraporten), erneuert in Keimschen Mineralfarben. Der Zyklus war von Ludwig I. als Schulungsmöglichkeit und Beschäftigung für junge Künstler gedacht und wurde von Studenten des Akademieprofessors und Historienmalers Peter von Cornelius (1783–1867) ausgeführt.

Abbildung Eberle, Hofgarten «Die malerische Ausführung dieses Bildprogramms liess allerdings zu wünschen übrig. Die Kritik an der künstlerischen Qualität und am Mangel an stilistischer Einheitlichkeit begleitete die Fresken seit den Tagen ihrer Entstehung. Wiederholte Restaurierungen haben die Aussagekraft weiter in Mitleidenschaft gezogen. Missbilligt wurde aber auch die inhaltliche Ausrichtung der Bilderfolge. Die Konzentration auf die Familieninteressen des bayerischen Königshauses liess die Finanzierung aus öffentlichen Mitteln problematisch erscheinen. In der Debatte des Landtages des Jahres 1831 wurde nicht zuletzt bemängelt, dass die Geschichte Bayerns auf die Geschichte der herrschenden Dynastie reduziert werde. Für die Konzeption der weiteren Ausmalung der Arkaden an dieser sensiblen Grenze zwischen höfischer und bürgerlich-öffentlicher Sphäre war auf diese Empfindlichkeiten Rücksicht zu nehmen.» (Rott, Poggendorf, Stürmer 2007, S. 19)

Stätten des antiken Griechenland (1961) von Richard Seewald (1889–1976)

15 Fresko-Grisaillen. Die Hofgartenarkaden waren 1952–54 durch die Baufirma Hans Fries nach Plänen und unter Leitung von Josef Wiedemann (mit Karl Habermann) wiederaufgebaut worden. (Quelle: Bayrische Schlösserverwaltung, München)

Die Texte unter den Bildern lauten:

  • «Athen / O glänzende, veilchenumkränzte, besungene Stätte, / Bollwerk von Hellas, ruhmreiches Athen, du göttliche Stadt. / Pindar»
  • «Olympia / Wohl ist Wasser das beste Gold / wie das lodernde Feuer durch die Nacht, so strahlts heller als alle glücksmehrenden Schätze. / Doch wenn dichs, mein trautes Herz, / drängt, ein Kampfspiel zu preisen, / dann zur Sonne nur den Blick: Denn es schwebt durch den leeren Äther / kein Gestirn bei Tag. Das Mehr [sic] / leuchtet und erwärmt: so auch glänzt Olympia. / Pindar»
  • «Delphi / In die heilige Nacht: Des erwachenden Tags weltfreuenden Kuss / ihn empfangen bereits des Parnassosgebirgs lichtstrahlende flammige Häupter. / Schon fliegt zu dem Dach des Apollon der Rauch von der Myrrhe hinan / Ion»
  • «Ithaka / Ithaka liegt in der See am höchsten hinauf an die Feste. Gegen den Nord die anderen Inseln sind östlich und südlich. Rauh ist diese, doch nähret sie rüstige Männer. Und wahrlich süsser als Vaterland ist nichts auf Erden zu finden. / Homer»
  • «Korfu / Ein weisser Glanz ruht über Land und Meer / und duftend schwebt der Äther ohne Wolken. Und nur die höchsten Nymphen des Gebirgs erfreuen sich des leichten Schnees auf kurze Zeit / Goethe»
  • «Zypern / Singen will ich von Aphrodite, der Züchtigen, Schönen, golden Bekränzten. Das meerumflossene Kypros ward ganz ihr / samt seinen Zinnen, verliehn. / Homer»
  • «Akrokorinth / Kehren die Kraniche wieder zu dir? Und suchen zu deinen Ufern wieder die Schiffe den Lauf? Umatmen erwünschte / Lüfte dir die beruhigte Flut? Und sonnet der Delphin, / aus der Tiefe gelockt am neuen Lichte den Rücken? Blüht Ionien, ist es die Zeit? / Hölderlin»
  • «Naxos / Des Ilyssos honigfliessende Fluten eilig verlassend, / floh der zärtliche Bakchos, vom festlichen Schwarm geleitet, / hin zum gewölbten Schild des traubentragenden Naxos / Nonnos»
  • «Korinth / Ich will kenntlich machen das gesegnete Korinth, die Vorhalle / des Poseidon vom Isthmos, das Jünglingsstolze. / Pindar»
  • «Sunion / Wohl manches Land der lebenden Erde möcht ich sehn, und öfters über die Berge enteilt / das Herz mir und die Wünsche wandern / über das Meer zu den Ufern die mir vor andern, so ich kenne, gepriesen sind. / Doch lieb ich in der Ferne nicht eines mir wie jenes, wo die Göttersöhne schlafen, das trauernde Land der Griechen. / Ach! Einmal dort an Suniums Küste möcht ich landen…»
  • «Aigina / Wir Flüchtigen: Was wir sind, schon sind wirs nciht mehr. Ein Traum / des Schattens, das ist der Mensch. Aber kommt nur ein Strahl von Gott her, gleich ist es hell und das / Leben dünket uns freundlich. / O Aigina du Mutter vertraute, führ den Pfad / der Freiheit deine Stadt mit Zeus / Pindar»
  • «Poros / Einer meint: die Reiter, ein anderer Fussvolk. Mancher: Schiffe seien der dunklen Erde schönstes Gut / Sappho»

Abbildung Carl Rottmann, Nemea«Die Krönung von Ludwigs zweitem Sohn Otto zum König von Griechenland 1832 gab vermutlich den Anlass, dass Ludwig noch im gleichen Jahr die Ausschmückung der Nordarkaden im Hofgarten mit Bildern zu einem griechischen Thema beschloss. [Leo von] Klenze schlug wiederum Landschaftsbilder vor, und zwar nicht mehr in Freskotechnik, sondern in Enkaustik, einem antiken Malverfahren, das die Thematik noch unterstreichen sollte. 1838 begann [Carl] Rottmann mit der Ausführung. Vorausgegangen war – wie auch bei den Italienbildern [Rottmanns für die nördlichen Westarkaden, heute im Allerheiligengang der Residenz] – eine Studienreise im Auftrag und mit Anweisungen des Königs. Aus Angst vor Witterungseinflüssen und mutwilligen Beschädigungen, die Rottmann bei einigen Italienbildern hatte hinnehmen müssen, bemühte er sich um einen anderen Anbringungsort als die Hofgartenarkaden. Ludwig gab seinem Drängen nach und entschied sich für die Neue Pinakothek, wo der Griechenlandzyklus 1853 – drei Jahre nach Rottmanns Tod – in einem eigens dafür bestimmten Raum ausgestellt wurde.

Trotz dieser Planänderung wurde die Idee einer Ausmalung der nördlichen Hofgartenarkaden zu einem griechischen Thema nicht aufgegeben. Von 1841 bis 1844 schuf Christoph Friedrich Nilson 39 Fresken mit Szenen aus dem Befreiungskampf Griechenlands gegen die türkische Herrschaft. Die Entwürfe stammen von Peter v[on] Hess, der von Ludwig vor allem als Schlachtenmaler geschätzt wurde und der zudem 1832/1833 Otto I. nach Griechenland begleitet hatte. An die Stelle der im Zweiten Weltkrieg völlig zerstörten Fresken kamen 1961 Grisaille-Illustrationen zu Texten klassischer Autoren von Richard Seewald.» (Schedler, S. 96–97)

Abbildung Richard Seewald-Gemälde, Hofgarten München «Hier hatte man die Arkaden wieder aufgebaut, und man ging damit um, dort, wo eigentlich einmal die griechischen Bilder Rottmanns ihren Platz finden sollten und die kleinen Szenen aus dem griechischen Freiheitskampf von Hess durch den Krieg restlos zerstört worden waren, neue griechische Bilder an die Wand malen zu lassen. Der Auftrag dafür fiel mir zu. Ich habe schon davon berichtet, wie Eckart Peterich mich in der Münchner Presse als quasi dazu vorbestimmt für diese Arbeit empfahl. Peter Meyer hatte mir bei meiner Berufung nach München aus Zürich geschrieben, ich solle meine Stunde nützen [sic] und die Nachfolge Rottmanns antreten.» (Seewald 1977, S. 327)

Literatur