dieser beitrag wurde verfasst in: deutsch (ger/deu/de)
künstler: Paul Bodmer
titel: Nicht wissen — nicht wissen können (Die Entstehung der Wissenschaften)
jahr: 1933
adresse: Universität Zürich, Kollegiengebäude (Aula), Rämistrasse 71, Zürich
+: Fresko, 410x880 cm
1913 erhielt Ferdinand Hodler den Auftrag, das Aulagemälde der Universität Zürich zu entwerfen. Bis 1917 erarbeitete er zahlreiche Skizzen zum Projekt, unter dem Titel "Floraison". Nach seinem Tod 1918 blieb die Wand vakant. Karl Moser, der Architekt des Kollegiengebäude, verzichtete offenbar darauf, auf eine Lösung hinzuwirken, die dem Geist von Hodlers Werk entsprochen hätte. Bodmer, dessen vegleichsweise avantgardistische Bemalung der Korridore 1914 wieder überstrichen werden mussten, konnte nun, in seiner "klassischen" Phase und praktisch zum Staatskünstler avanciert, die Arbeit ausführen. Ob Karl Moser 1913 eine ästhetische Vision für die Ausmalung des Universitätsgebäudes vor Augen hatte, wurde bis anhin nicht erforscht oder publiziert.
«Nachdem aus Karl Mosers Vorhaben, das Wandbild in der Aula durch Ferdinand Hodler ausführen zu lassen – jenen Künstler, den er als den 'grossen Wegweiser' der neueren Kunst bewunderte –, nichts geworden war (Hodler war 1918 gestorben), blieb es einige Jahre ruhig um das Aula-Wandbild. Ein wohl 1921 eingereichter Entwurf Augusto Giacomettis hatte das Rektorat nicht zu überzeugen vermocht. Erst im Hinblick auf die Hunderjahrfeier der Universität im Jahre 1933 kam das Traktandum 1927 wieder auf die Tagesordnung der einschlägigen 'Kommission für die Bemalung der Universität', wobei sich insbesondere Rektor Louis Gauchat dahingehend äusserte, 'dass man P. Bodmer […] eine Rehabilitierung schuldig sei'. Alt-Rektor August Egger fügte bei, dass 'Bodmer in den vergangenen Jahren eine grosse Entwicklung durchgemacht habe' – tatsächlich hatte er inzwischen den grossen Wandbildzyklus im Fraumünsterdurchgang fertiggestellt.
Bodmer reichte 1928 erste Entwürfe ein, worauf es zum Auftrag kam, allerdings nicht ohne längere Kontroversen innerhalb der Fakultät. Heinrich Wölfflin z.B. hatte angesichts der Entwürfe und wohl auch in Erinnerung an Hodler zu bedenken gegeben, dass die Bemalung der Rückwand 'eine noch stärkere Flügelkraft erfordern' würde; später monierte er, dass auf dem Wandbild nur Frauen dargestellt seien, worauf der Maler auch einige junge Münner in die Figurengruppe einfügte. Die präziseste Würdigung stammt von Peter Meyer und erschien unmittelbar nach Fertigstellung des Bildes in Das Werk. Nicht zufällig hebt der damalige Werk-Redaktor an Bodmers Arbeit Qualitäten hervor, die den Maler in einen schroffen Gegensatz zu Hodlers künstlerischem Pathos setzen. Bodmer verfüge über die 'seltene Gabe, ein hochpathetisches Thema mit einer solchen Diskretion vorzutragen, dass das innere Pathos nur den dafür Empfänglichen spürbar wird, ohne sich dem nicht darauf Eingestellten aufzudrängen'. Die Waldlichtung, in der sich Gemeinschaft akademischer Jünger und Jüngerinnen versammelt haben, könnte 'irgendwo am Albis sein […], ohne deswegen weniger Hain des Akademos zu sein'. Achtzig Jahre später sieht Peter von Matt in dem Wandbild vor allem 'ein leicht surreales Monument des meditativen Nichtstuns'. (Stanislaus von Moos, in: Hildebrand, von Moos, Kunst-Bau-Zeit, Zürich 2014, S. 132–133)